Bei der Tafel gehen Geben und Nehmen Hand in Hand
Über Ersatz für die elf Jahre alte Kühlkammer freuen sich die Ehrenamtlichen von der Sonneberger Tafel. Die neue Technik wird helfen, die gespendeten Lebensmittel bis zur Ausgabe frisch zu halten.
Sonneberg – Der neue „Kollege“ macht einen recht stattlichen Eindruck: Drei Meter breit, zweieinhalb Meter tief und fast ebenso hoch füllt er einen Nebenraum im Tafeltrakt in der Marienstraße 6 gut aus. Vor allem aber hat der stille Geselle neben seinem Umfang auch innere Werte zu bieten: Er kann dichthalten – wie man es von einem echten Kumpel halt erwartet.
Beim Vorgänger war es auf der Schlusskurve um genau diese Tugend eher mau bestellt. Wie Sylvia Möller, operative Leiterin der Sonneberger Tafel schildert, galt der alte Kühlschrank zwar als robust. Doch nach elf Jahren Dauerdienst auch ziemlich am Ende seiner Kraft: „Innen Tropfsteinhöhle, draußen Pfützen.“ Lachen mit Kondenswasser blieben immer einzukalkulieren, wenn man sich schnellen Schrittes näherte.
Die Technik präsentiert sich nunmehr komplett modernisiert. Dank einer großzügigen Spende des Rotary Clubs Sonneberg konnte ein neuer Großraumkühlschrank erworben werden. Diesen zu montieren, blieb Sache eines Quartetts von vier Technikern aus Reihen des Diakoniewerkes. Stefan Nötzel, Ronny Stellmacher, Hardi Tschinke und Jens Müller bauten das alte Gerät zur fachgerechten Entsorgung ab und verpassten dem Nachfolger den letzten Feinschliff, unter anderem einen Kantenschutz, um die 10.000 Euro teure Maschine vor Schrammen zu schützen.
Das Ergebnis der Anstrengungen nahmen dieser Tage die Spender vor Ort in Augenschein. Im Beisein des Superintendenten des evangelischen Kirchenkreises Thomas Rau, Diakonie-Geschäftsführer Klaus Stark und Sonnebergs katholischem Stadtpfarrer Winfried Mucke bekamen die Gäste zugleich die Gelegenheit, sich die Arbeit der Tafel in Trägerschaft des Diakoniewerkes aus erster Hand erläutern zu lassen. Allzu großes Gewese wollte Sonnebergs Rotary-Präsident Dirk Engels ansonsten um die Unterstützung in fünfstelliger Höhe gar nicht machen: „Selbstloses Dienen ist das Motto unserer Organisation. Damit ist eigentlich genug gesagt. Mehr muss nicht sein.“
Ein dickes Dankeschön möchte Rau namens des evangelischen Kirchenkreises und katholischer Pfarrei gleichwohl nicht schuldig bleiben. Mithilfe und Mitstreiter im Dienst am Nächsten brauche es immer. In diesem Sinne nannte er das Engagement zugunsten der Tafel aller Anerkennung wert. Nach außen sei damit zugleich ein Zeichen gesetzt, dass Geben und Nehmen an dieser Stelle immer Hand in Hand gehen.
Aufs Gleis gesetzt hatten die Zuwendung einst Wolfgang Krauß als Rotary-Präsident des Jahres 2020 und sein damaliger erster Sekretär Gerd Maier. Dem Duo aus vormaligem Suptur- und Gymnasium-Chef folgten 2021 im Ehrenamt Engels und André Schindhelm, Unternehmer aus Oberlind, an der Spitze des lokalen Netzwerks nach. Diese durften gewissermaßen die „Abnahme“ vollziehen.
Profitieren werden von der neuen Kühlkammer wöchentlich um die 600 Männer, Frauen und Kinder im Landkreis, denen die Ausgabe gespendeter Lebensmittel hilft, über die Runden zu kommen. Gegen einen geringen Unkostenbeitrag werden an vier Tagen in der Woche die von freiwilligen Helfern portionierten Körbe mit Brot, Gemüse, Wurst oder Käse gereicht. Im Corona-Jahr 2020 sei zuletzt der Bedarf an dieser Unterstützung gestiegen, hieß es. Einmal im Monat, jeden dritten Dienstag, werden auf Basis der Sozialbescheide auch die Tafelausweise verlängert. Und bei dieser Gelegenheit, so schildert Möller, melde sich mittlerweile rund ein halbes Dutzend Bedürftiger – empfangsberechtigt für Lebensmittel sind Empfänger von ALG II, Erwachsene (oder Kinder) mit einem Einkommen von weniger als 600 Euro netto pro Monat, Besitzer eines Sonneberger Sozialpasses oder Empfänger von Grundsicherung – neu an als Empfänger. Engpässe gebe es aber nicht, so Möller. „Im Moment lassen sich Angebot und Nachfrage zum Glück noch gut in Deckung bringen, abgewiesen wird niemand.“
Damit das so bleibt, braucht es eine Vielzahl an Mitstreitern – 37 sind es aktuell in Sonneberg, weitere sieben in Neuhaus –, welche im Hintergrund die notwendigen Arbeiten verlässlich absichern. Neben der Ausgabe zählt es zu den Aufgaben der freiwilligen Fahrer, regelmäßig 34 Discounter und sieben Bäckereien querbeet verteilt zwischen Sonneberg und Neuhaus abzuklappern, um dort Lebensmittel einzusammeln, die übrig sind aus der Produktion, das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben oder Verpackungsschäden aufweisen, aber deshalb natürlich weiter vollwertig genießbar sind.
Die gesellige Runde im Nachgang der Führung nutzte Sylvia Möller, um gleich dem nächsten „Sorgenkind“ einen Namen zu geben. So hat das zehn Jahre alte Kühlauto seine besten Zeiten deutlich hinter sich. „Jede Woche viermal werden die Geschäfte und Bäckereien zwischen Schalkau und Neuhaus am Rennweg angesteuert.“ Dabei sind mittlerweile rund 250.000 Kilometer auf dem Zähler zusammengekommen – und natürlich viele Reparaturen, die es braucht, um den Verschleiß des Fahrzeugs auf den mitunter holprigen Pisten im Kreis einzuhegen.
Dirk Engels ermunterte das Tafelwerk ausdrücklich, sich ein zweites Mal als Kandidat für eine Spende ins Gespräch zu bringen. Geben und Nehmen, so durfte man heraushören, das gehört demnach zusammen wie Kühlauto und Kühlschrank.
Andreas Beer