Symbole sprechen Bände
Sonneberg – Wie verhält man sich im Alltag gegenüber Menschen mit Demenz? Woran erkennt man, ob sich der Betroffene wohlfühlt? Was kann man tun, damit es ihm oder ihr bessergeht? Auf all diese Fragen fand Diplom-Psychogerontologe Dr. phil. Dieter Hofmann jüngst Antworten im Rahmen eines Vortrages in der Tagespflege „Altes Annastift“.
Eines stellte er von vornherein klar: Mit angelesenem Wissen kommt man nicht weit im Bereich der Demenz. „Lesen ist Wissen, und das ist im Notfall schwer zugänglich“, betonte er. Stattdessen sei auf Empathie zu setzen, denn sie sei Wahrnehmung, kein Wissen. „Und auf die Wahrnehmung kommt es an, wenn man mit Demenzkranken arbeitet“, ergänzte Hofmann: „Denn der Demente sieht nur, was er glaubt – nicht umgekehrt.“ Wesenszüge einer betreuenden Person seien wichtiger als das bloße Äußere. So könne es durchaus passieren, dass Angehörige oder Pflegepersonal für jemand anderes gehalten werden.
Bilder, Bewegung, Fingerübungen und Tanzen seien die beste Medizin im Umgang gerade mit hochbetagten Menschen mit Demenz, sagte der Wissenschaftler, der sich seit 35 Jahren mit dem Thema beschäftigt. „Da wo Bilder sind, gibt es keine Zahlen und keine Zeit“, erklärte er und führte als bestes Beispiel Träume an, in denen sich Raum und Zeit verlieren: „Denn niemand erinnert sich mehr daran, wie alt er in seinem Traum gewesen ist oder welches Jahr gerade war.“ Bei Demenz – und Depression – verschwindet der Hippocampus, der als Teil des limbischen Systems im Gehirn für die Zeitstruktur verantwortlich ist. Bei Demenz ist die Vergangenheit wieder da, während die Gegenwart schwindet. Deshalb halte er das Wort Remenz für angebrachter: „Alles geht im Grunde genommen retour“, erklärte Hofmann.
Wichtig sei von vornherein der Grundsatz „Alles, was ist, darf sein.“ Viele Worte – vor allem die der Verneinung – ließen sich nur schwer bis gar nicht von den Betroffenen aufnehmen. „Ähnlich wie bei kleinen Kindern geschieht oftmals das Gegenteil, sobald ich mich gegen etwas stelle“, sagte er. Wenn etwas verneint werde, löse das Stress bei dem Erkrankten aus. „Und Stress ist der Feind der Demenz.“ Deshalb sei körperliche Bewegung so wichtig für Demenzkranke: „Stress macht den Körper hart, und man muss den Körper weichmachen, um den Stress zu nehmen.“ Fingerübungen, Zeichnen, Handarbeit seien probate Mittel und das beste Training fürs Hirn. Wenig Worte machen, dafür mit mehr Berührungen den betroffenen Menschen Dankbarkeit und Anwesenheit vermitteln, für Harmonie sorgen, mit vielen kleinen Dingen Achtsamkeit üben, den Moment erleben – damit helfe man Menschen mit Demenz am besten, sie in ihrem Alltag zu begleiten und zu unterstützen.